
Im Ufo nach Finnland
Zehn Pfadis aus dem Stamm Gerrich auf großer Tour durch das Land der tausend Seen
Als sich im Herbst 2008 die alljährliche Frage wieder stellte, durch
welchen Winkel der Welt wir diesmal den Inhalt unseres Materialkellers
schleifen wollen, war die Antwort bald gefunden: Finnland soll es sein!
Flugs werden die ersten Pläne geschmiedet: Geld muss her,
Ausrüstung und ein Plan für die Fahrt.
Für eine Handvoll Trödel

Nächste Möglichkeit rechts abbiegen

Die Knoff-Hoff-Show

Is it a bird? Or a plane?
Plötzlich werden die Vorbereitungen ganz konkret: Während der
Gruppenstunden basteln wir uns durch die verschiedenen Zeltkonstruktionen,
die man aus einem Stapel Schwarzmat so rauskitzeln kann. Der Renner ist
schließlich das UFO, ein auf 30 cm hohem Holzfahrgestell schwebendes
S-Jurtendach. Recht flunderig zwar, aber das Verhältnis
„Material zu überdachter Grundfläche“ ist
ungeschlagen. Ausserdem kann man super daneben stehen und mit gewichtiger
Miene „Wir kommen in Frieden“ intonieren, ein nicht unwichtiger
Aspekt bei Auslandsfahrten :]
You can leave your Head on…
Beim Packen der geliehenen, aus Kellern hervorgekramten oder frisch
gekauften Rucksäcke passen wir auf wie die Schießhunde, dass
sich kein einziges überflüssiges Pfund ins Gepäck verirrt
–zuviel Gerümpel ist beim Wandern eine
Hydraulik-Spaßbremse.
Der entworfene Plan für die Fahrt klingt überraschend einfach:
Nach Joensuu fahren, eine Woche wandern und die zweite Woche in einem
Häuschen erholen, das praktischerweise auch das Ziel der Wanderung
markiert. Dort sollen die Pfadis ihr Versprechen ablegen. Alles andere
bleibt ungeplant – wir wollen das Unvorhersehbare voll umarmen!
Während wir noch Rucksackgewichte kontrollieren, Liederheftchen
zusammenkopieren und den Eßbedarf kalkulieren, stehen wir auch schon
plötzlich in Helsinki und wundern uns, wo die Zeit geblieben ist.
Übrigens als 14-köpfige Gruppe, denn in bester Beutlin-Manier
haben wir noch den Pablo als Schleppkoch angeworben.
Endlos lang zieh’n sich die Straßen…
In Helsinki wechseln wir das Transportgerät von Turbine zu Schiene und
lassen uns 5 Stunden weiter nach Norden transportieren. Dann Schiene zu
Schuh – ein paar Kilometer ausserhalb bauen wir aus unserem
Schwarzmat im Handumdrehen 7 kleine Zwerge Zelte und betten endlich unsere
müden Häupter auf finnischer Erde…
Im Licht des nächsten Mittags betrachtet sieht die Landschaft etwas
ernüchternd aus: In der Mitte eine Art Landstraße, rechts sind
Bäume, links sind Bäume und dazwischen Zwischenräume. Trotz
steten Trottens ändert sich das weder zum Nachmittag noch am
Abend… das Gefühl von Laufband+Fototapete vertreiben wir, indem
wir Finnland unser mitgebrachtes Liedgut vortragen. Und das zeigt sich dann
auch abends in Form eines Gala-Zeltplatzes erkenntlich: Etwas abgelegen im
Wald kann unser UFO landen! Stangen und Stöckchen sind schnell
gefunden, denn der Boden finnischer Wälder besteht in der Hinsicht aus
quasi vorgefertigtem Zeltmaterial. In einem nahe gelegenen Haus helfen uns
nette Finnen zu vollen Wasservorräten und Einsichten in örtliche
Unterwäschetragegepflogenheiten: der Herr trägt wieder eng o_O
Den Abend verbringen wir ganz gemütlich in unserem
Allzweckaufenthaltsraum mit Küche, Beleuchtung, Heizung, Musik und
Sternenhimmel. Schon toll, so ein Lagerfeuer!



14 Personen zum Beamen bereit
Am nächsten Tag beschließen wir, mittels finnischer
Infrastruktur-Technologie den langweiligen Landstraßenteil einfach zu
überbrücken. Zwei Busfahrten später stehen wir auf einmal
mitten zwischen frischen gestrichenen Birken, durch deren Blätterdach
goldgefilterte Sonnenstrahlen auf moosigen Felsen tanzen. Über allem
spannt sich der ultramarine Himmel bis ganz nach unten auf den Horizont und
bereitet die Bühne fürs Mammutbalett gewaltig aufgetürmter
Wolkenmassive… Da isser ja, der richtige Spaß!
Ah, jetzt – ja!



Ich geh mal Ukko Koli

Später bürgert sich der Begriff Ukko-Koli dennoch als Synonym
für den täglichen Spatengang ein, ein Umstand, den Ihr vielleicht
aus Eurem Gedächtnis verbannen solltet, so Ihr denn auch mal selber
die dortige Seilbahn nutzt ;)

Derart wirre Assoziationsimpulse hinter uns lassend, brechen wir per
Fähre nach Lieksa auf, vorletzte Station vorm Haus! In Lieksa selber
empfängt uns die finnische Pfadfinderin Sylvia, mit der wir uns noch
vor der Fahrt per Internet verabredet hatten. Abgesehen von dezenten
Rucksackdissereien gewinnen wir bergeweise interessante Erkenntnisse aus
Ihrem stets sprudelnden Informationsfluß... uff! Unsere letzte Etappe
birgt noch einen exotischen Zeltplatz in einem großen
waldumsäumten Sandloch, das wir für eine Runde Beachvolleyball zu
nutzen wissen. (Gut, einen Ball hatten wir jetzt nicht direkt dabei...
Kleinigkeiten...). Für's letzte Mal draußen Schlafen
errichten wir eine Mückennetz-Reihenhaussiedlung mit Sternenblick...
*haaaach*

Es ist angerichtet

Während die Pfadis eines der Häuser zu einer durchgehenden
Matratzenliegefläche umfunktionieren, erfinden die Leiter für die
nächsten Tage noch etwas Programm:
Ich esse was, was Du nicht isst
Bislang gab's jeden Abend reichlich und sehr lecker zu essen - das
wollen wir mal ein bisschen auf die Probe stellen! Der heutige Tag steht
unter dem Motto: Wir essen, was wir finden. Ein Büchlein erzählt
uns die theoretischen Grundlagen, und dann geht's in Kleingruppen los.
Kaum beginnt die dramatische Abendhimmelshow, finden wir uns alle wieder am
Strand ein und decken auf: Es gibt frischen Fisch, selbstgemachte
Blaubeermarmelade, Beeren, zwei verschiedene Sorten Nudeln aus Birkenrinde
und kleine Fladen aus gebratenem Islandmoos. (Kommentare des Abends:
"Der Baum ist noch nicht durch" und "Mein Moos brennt
an!"). Dazu gibt's als dezente Beilage einen Riesenberg
Pfannekuchen, mit deren Hilfe sich die gesammelten Ingredenzien noch besser
verschlingen lassen. Einzig die Birkenrunde schmeckt nicht so recht,
wandert aber am nächsten Tag in geschroteter Form in den Pizzateig:
Doch lecker :]




Regen bringt Segen
Der nächste Tag bricht an - heute sollen sich die Pfadis als
Vorbereitung auf Ihr Versprechen mit sich und der Gruppe auseinandersetzen.
Mit chirurgischer Präzision hat auch genau für diesen Tag zum
ersten Mal ein mieses Regenwetter eingesetzt, dass dieses Vorhaben ganz
prächtig unterstützt.
Wir beginnen mit einer allgemeinen
Diskussions- und Reflexionsrunde, wollen bewusst machen, was schon alles
Tolles auf dieser Fahrt passiert ist, und wie die Gruppe jeden Tag
spürbar zusammengewachsen ist. Im Anschluß verteilen wir die
Pfadis einzeln über das Gelände und initiieren eine Art
4-Augen-Gesprächsstaffellauf. Dabei soll jeder Pfadi jedem anderen
einen konstruktiven Hinweis geben, was er für sich und die Gruppe noch
einbringen oder beibehalten könnte. So bekommt jeder von jedem
Feedback, kann aber zu jedem was sagen - ein ziemlich gewaltiges Vorhaben,
das auch den gesamten verregneten Tag einnimmt.
Als dann abends am Strand in feierlicher Runde jeder Pfadi ein Versprechen
ablegt, spürt man ganz deutlich, wie viel sich an diesem einzigen Tag
in manchen Köpfen und Herzen bewegt hat. Woooow.


Zurück bleibt eine komische Mischung aus Wehmut und
Glückseligkeit, die sich wohl nur mit der nächsten Fahrt kurieren
lassen wird...
Nachtrag: Nach der Abrechnung ist sogar genug in der
Gruppenkasse, um unsere durchs Fliegen verursachten CO2-Emissionen durch
atmosfair zu kompensieren… natürlich retten wir die Welt! :]